Wie ein großer Held habe ich mich gefühlt. - Und darin liegt wohl auch eine Gefahr, denn dem Held ist der Alltag oft fremd. Aber der Alltag liefert mehr Stabilität als das Heldentum. Seien Sie gewarnt, diese Geschichte, wie schön sie auch ist, wie heldenhaft sie Ihnen vielleicht auch vorkommen mag, sie hat eine zweite Seite. Eine Seite, die ich hier wohl verheimliche, im Wissen, dass sie dem Held gar zu banal vorkömme, ein Seite, die er vielleicht an manchen Tagen gar nicht sehen will. -
Wie ein Held also, habe ich mich gefühlt. Einer wie aus den Filmen. Frodo, der den Ring nach Mordor trägt, welcher - auf welche Art und Weise auch immer - letztlich auch wirklich endlich zerschmilzt. Er hat seine Mission ausgeführt. Er hat das, was er sich vorgenommen hatte, endlich erreicht. Waren Sie einmal auf einer Mission? Hatten Sie dabei die große Gnade, diese Mission zu Ende gebracht zu haben? Ich rede von einem wirklichen Ende, einem Abschluss, einem Erfolg. Etwas, das sich wirklich und vollständig erfüllt hat und wo Sie nun wahrlich und absolut fertig sind damit. Als wären Sie Odysseus, der nach den 7 Jahren endlich heimgekehrt ist. Als wären Sie Harry Potter, der nach 7 Jahren endlich den dunklen Lord besiegt hat. Fertig, aus. Mission erfüllt, es ist vorbei und es gibt kein zurück mehr. Es gibt auch nichts mehr zu tun. Harry Potter braucht sich nie wieder um Voldemort zu kümmern, er ist für immer weg. So habe ich mich gefühlt, nach unserem letzten Konzert am 16.11. 2023. Denn bis es zu diesem Tag gekommen war, hatte ich gefühlt eine Weltreise hinter mir. Nein, bis zu diesem Zeitpunkt war ich auf einer Mission, eine, die mir von Gott weiß wem aufgetragen wurde, die ich Gott weiß warum gefühlt habe und Gott weiß warum ausgeführt habe. Ich habe im Jahr 2018 mit dieser Mission begonnen und sie lautete: Komponiere so viele Musikstücke, dass du damit ein Konzert geben kannst.
Das hat etwa 4 Jahre gedauert. 2022 haben wir das dann aufgeführt. Das Programm hieß damals "Die Schreibfabrik". Dann haben wir Anfang 2023 ein weiteres Programm aufgeführt, es hieß wie das aktuelle Programm "Federrausch". Es war aber nicht das gleiche Programm wie das aktuelle "Federrausch", es war ein anderes. Und so gerne ich diese Programme gespielt habe, so deutlich spürte ich doch, dass meine Mission noch nicht abgeschlossen war. Etwas fehlte noch. Das Programm war nicht so rund, wie ich es gemäß meiner Mission erreichen wollte.
Nun haben wir uns also im Oktober 2023 wieder getroffen, mein Team und ich, und haben gemeinsam geprobt. Zwei Konzerte standen an, am 11.November und am 16.November. Und bei den Proben fiel uns das auf, was ich auch tief in mir gespürt hatte: Die Mission war nicht erfüllt, oder anders gesagt: Das Programm war nicht rund. Es war gut, möglicherweise in Ansätzen viel mehr als gut, aber es war noch nicht das... Es war noch nicht das, wozu es bestimmt war, zu sein. Und dann geschah etwas, das mich unendlich faszinierte und bis heute fasziniert: Wir haben gemeinsam begonnen, am Projekt zu arbeiten. Ich habe gefühlt, dass ich bestimmte Leute um ihre Meinung fragen solle und habe das auch getan und diese Leute haben mir ihre Meinung gesagt. Und diese Meinungen waren teilweise vernichtend. Vernichtend ehrlich. Aber ich habe gespürt, dass ich da durchmusste, habe gespürt, dass ich mich dem Unangenehmen, der Kritik, aussetzen musste. Nur so würde es besser werden, nur so würde ich jetzt auf meiner Mission weiterkommen. Und es hat geklappt. Ich habe mit vielen Menschen über mein Projekt geredet, habe viele Meinungen erhalten und habe mir fest vorgenommen, niemand für eine Meinung zu verurteilen und es nicht persönlich zu nehmen. Ich habe mir vorgenommen, der Mission, meinem, unserem Konzert zu dienen und mein persönliches verletztes Ego hinten anzustellen. Ich habe also die Meinungen meiner engsten Vertrauten angenommen und angefangen, ihre Kritik, ihre Verbesserungsvorschläge zu verinnerlichen und umzusetzen. Und auf einmal habe ich all die Meinungen gesehen, die auch in meinem Team vorhanden waren und habe auch angefangen, diese umzusetzen. Ich würde sagen, das Projekt "Federrausch" wurde Schritt für Schritt (oder doch plötzlich?) zu einem Gemeinschaftsprojekt. Und jede und jeder hatte etwas Kluges und Konstruktives beizutragen. Auch leise Stimmen wurden gehört. Es haben sich so viele Ideen entwickelt, im Team, von Beraterinnen und Berater, dass ich gefühlt habe, ich bin ganz nah dran, meine Mission zu beenden. Und schließlich kam die letzte Probe vor dem Auftritt am 11.11.2023. Und nach dem geplanten Durchspielen unseres Programms kamen ein paar von uns zum Entschluss, dass noch eine Kleinigkeit fehlte. Wir spürten es, ich zumindest spürte es sehr deutlich. Ein Element nur noch, dann wäre das Programm fertig, rund. Wir wussten aber nicht, was es war. Jemand sagte "Wir können das heute nicht lösen" und ich dachte mir "Vielleicht hast du Recht" und versuchte, es loszulassen. Es packte mich aber immer wieder, auf eine mehr und mehr nicht aufdringliche Art und Weise und schließlich kam von jemand aus dem Team der Funke. Diese Person sagte zu mir, sinngemäß: "Lassen wir doch das Kind auf die Bühne." Und ich wusste, dass das die Lösung war. Nach ein paar weiteren Minuten erfolglosem Hin- und Herprobieren war es schließlich so weit: Ich hatte unser letztes Puzzle-Teil gefunden und es bestand tatsächlich darin, ein Kind auf die Bühne zu holen und es bei einer Szene mitspielen zu lassen, szenisch, schauspielerisch. Und seither haben wir es auf der Bühne. Es war dabei am 11. und auch am 16. November. Es war der letzte Schritt für meine persönliche Mission. Das Kind auf die Bühne zu holen.
Dann machte es Klick. Ich weiß nicht mehr, nach welcher Aufführung es dann schließlich so weit war, nach der am 11. oder nach der am 16., aber nach einer dieser beiden Aufführungen hatte ich plötzlich das tiefe und ruhende, aber auch gewissenhafte und standhafte Gefühl, eine Mission beendet zu haben. Eine, die ich 2018 begonnen hatte. 5 Jahre. 5 Jahre bis Federrausch. Endlich dort, wo ich mir vorgenommen hatte, hinzukommen. Ich danke Gott, dass er mich so lange am Leben ließ, um das noch erleben zu dürfen. Meine erste richtige eigene Mission. Abgeschlossen. Danke. Ich hoffe, es folgen noch weitere. Nein, das ist nicht richtig. Ich hoffe, dass diese Mission noch viele Kreise ziehen wird. Das ist dann vielleicht die nächste, die ich ausführe. Federrausch in die Welt zu tragen. Aber vielleicht wird diese erste Mission, nämlich die, Federrausch zu kreiren und aufzuführen, von allen die bedeutungsvollste sein. So wie die erste Liebe vergisst man vielleicht auch die erste Mission nicht. Beziehungsweise wird sie vielleicht immer eine besondere Stellung im Leben einnehmen. Es freut mich sehr, das erlebt zu haben. Und nun habe ich einen Berg voll Hausarbeit zu erledigen. Denn das schiebe ich armer Held immer hinaus. Held bin ich gerne, Tellerwäscher nicht ganz so gerne. Aber auch das will erledigt sein. Let's go.
Foto: Ingrid Weinberger
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